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Das sind die Südtiroler Die meisten Menschen im Land heißen noch immer Josef und Maria. Ein kleines, rüstiges Bergvolk mit Hut und Stock: Das Leben in den Alpen hat die Südtiroler aus einem ganz besonderen Holz geschnitzt. Über die Jahre, während die Wälder lichter, die Städte g...

Das sind die Südtiroler

Die meisten Menschen im Land heißen noch immer Josef und Maria. Ein kleines, rüstiges Bergvolk mit Hut und Stock: Das Leben in den Alpen hat die Südtiroler aus einem ganz besonderen Holz geschnitzt. Über die Jahre, während die Wälder lichter, die Städte größer und die Möglichkeiten zahlreicher geworden sind, hat sich auch unter den Menschen einiges getan. Was überrascht, ist, wie viel an den Klischees immer noch dran ist – wenn auch etwas anders verpackt.

Um die 530.000 Menschen leben in der norditalienischen Provinz. Die meisten, fast 70%, sind deutscher Muttersprache, ein Viertel spricht von Haus aus italienisch und die restlichen 5% verteilen sich auf die ladinischsprachigen Gemeinden. Südtirol nimmt geographisch eine Schlüsselposition zwischen dem italienischen Süden und den deutschsprachigen Ländern nördlich des Alpenhauptkamms ein – genauso mischen sich in der Bevölkerung die Eigenheiten beider Volksgruppen. Und zugleich kochen die Südtiroler am liebsten ihr eigenes Süppchen. Sie interessieren sich für mehr als Kühe und Knödel. Ehrlich gesagt interessieren sie sich sogar für einiges mehr.

In eigener Sache

Knorrige alte Männchen, die den ganzen Sommer über nur bei ihrem Vieh auf der Weide sitzen und in der Folge lieber ein Wort zu wenig als eines zu viel verlieren? Ganz im Gegenteil. Der Südtiroler funktioniert nur in Gemeinschaft so richtig. Ein großer Teil der lokalen Unternehmen sind Familienbetriebe, die Stammrunde in der Bar gehört genauso zum Leben wie der Ratscher beim Einkaufen oder ein Plausch beim Warten auf den Bus. Die meisten Südtiroler reden viel und gerne – und haben oft auch einiges zu sagen. Wer genauer zuhört, der wird merken, dass sie eine Meinung zu fast allem haben. Dass man den Südtirolern ihre Sturheit gern vorhält, hat seine Gründe. Wer nicht laut genug schreit, wird gern überhört – nach diesem Grundsatz hat sich die deutschsprachige Minderheit auf Staatsebene mit zäher Ausdauer die Autonomie erstritten, die der Provinz gewisse Selbstbestimmungsrechte zuspricht. 

Mit derselben Verbissenheit, mit der die Südtiroler an ihrem kleinen Land arbeiten, gehen sie auch ihren Geschäften nach. Ihrem Erbgut nach sind diese Leute Macher. Wenn sich ihnen ein Berg in den Weg stellt, wird er bezwungen. Engagement und Fleiß gehören schon im Dorf zum guten Ton – kein Wunder, dass Südtiroler auch außerhalb ihres Landes Karriere machen und Spitzenposten besetzen. 

Ein bisschen ja, ein bisschen nein

Südtirol ist seit jeher ein Durchzugsland. Mit dem Brenner, einem der wichtigsten Alpenpässe, und dem Reschenpass, über den schon die Via Claudia Augusta nach Norden führte, herrscht hier schon seit Jahrtausenden Bewegung. Das Interesse an den Reisenden ist aus gegebenen Gründen schon immer groß.

Aber aufdrängen wollen sich die Menschen nicht. Jedem steht ein Privatleben zu (und über das Privatleben anderer zu reden). Auch wenn die Südtiroler so viele Meinungen haben – zuletzt sind sie dann doch froh, dass sie nicht alles betrifft. Auch wenn längst nicht die meisten Menschen im Land brennende Patrioten sind, so hat doch jeder einen Teil seines Herzens irgendwo zwischen den Bergen verloren. Die Südtiroler lieben ihre kleine, unabhängige Idylle. Sie belächeln manche Traditionen und werfen sich mit Feuereifer vor andere, sind der Verkitschung des Bauern auf seiner Alm überdrüssig, kokettieren aber auch mal gern mit Klischees, immer ein Zwinkern im Augenwinkel. 

Was bleibt das bleibt

Und es ist der Stolz auf ihre Eigenheiten. Die deftige lokale Küche verhindert nicht, dass man sich hier auch damit brüstet, der nördlichste Punkt zu sein, an dem Pizza noch „richtige“ Pizza ist. Man liebt die Berge und den Speck, die Dolce Vita und die Almen, Watten ist Nationalsport, das Wandern mehr Lust als Anstrengung. Auf den ersten Blick wird man nicht alles und jeden verstehen.

Und wenn man erst ein wenig tiefer in das wunderliche Volk aus den Bergen eintaucht, wird einem schnell klar, wie groß dann noch die Unterschiede zwischen den einzelnen Tälern sind. Wehe dem, der die Grödner und Gadertaler in einen Topf wirft oder einen Bozner mit einem Brunecker gleichsetzt! Mit einem geübten Ohr hört man sogar die verschiedenen Dörfer aus den Dialekten heraus. 

Aber irgendwie sind die Südtiroler trotzdem immer Südtiroler. Gemeinsam bleiben ihnen ihre Gastfreundschaft, die Geselligkeit und die ehrgeizige Tüchtigkeit. Und nicht zu vergessen: Ein Auge, das stets auch ein wenig auf den Genuss schielt. Bei einem guten Tröpfchen öffnet sich der Südtiroler gern ein wenig – und gibt seinen Blick auf ein Land preis, in dem Milch und Honig fließen.