Jahreszyklus
Frühling, Sommer, Herbst und Winter
Ein Land, viele Gegensätze – an manchen Orten in Südtirol schneit es so gut wie nie, an anderen schmilzt das Eis das ganze Jahr über nicht. Von Sommer bis Winter schwanken die Temperaturen erheblich, sodass sich alle Jahreszeiten von ihrer besten Seite zeigen können. Eine kleine Reise durch ein Jahr.
Es grünt so grün
Der Winter lockert seine frostige Umarmung, und es wird langsam wieder wärmer. Was so natürlich klingt, ist jedes Jahr wieder ein Spektakel, das die natürlichen Kräfte auf eine ganz eigene Art entfesselt: Mitunter schmelzen meterdicke weiße Decke in wenigen Wochen vollständig ab und bringen frisches Grün zum Vorschein, das plötzlich überall sprießt. Vor allem in den südlichen Landesteilen zeigt sich der Frühling in seinem prachtvollen Gewand: Hier treibt jetzt alles, von der Talsohle bis in die Berge hinauf. Und langsam zieht sich die Blüte die Täler hinauf – durch die durchscheinenden Apfelblüten fällt warmes Licht auf die frischgrünen Wiesen des Etschtals.
Die Flüsse und Bachläufe schwellen unter dem Schmelzwasser an. An ihren Seiten beugen sich treibende Äste tief über die Fluten. Zunächst schmücken nur einzelne Farbtupfer das vertrocknete Unterholz vom Vorjahr, doch allmählich werden auch im Eisack- und Pustertal die Hänge grüner und grüner. Je höher man steigt, desto frischer ist es noch, und auf den Almen bleiben einige weiße Flecken noch liegen. Aber auch hier erwacht das Land wieder zum Leben: Die ersten Frühlingsboten behaupten sich in der kühlen Brise.
Neben ausgedehnten Spaziergängen sind in dieser Zeit besonders die Ortszentren einen Besuch wert. Auch die Gemüter der Menschen tauen, Frohsinn und Leichtigkeit werden spürbar, wenn man sich mit dem Kaffee zum ersten Mal wieder nach draußen in die Sonne setzen kann. Wird es in Südtirol erst einmal wärmer, hat die Sonne bald wieder ihre alte Kraft zurückerrungen – manchmal steigen die Temperaturen im März schon über 20 Grad.
Sommer, Sonne, Sonnenschein
Im Sommer zeigt sich Südtirol von seiner besten Seite. Während in den Tallagen die kühlen Seen und Flüsse mit ihren Fluten locken, zieht es die Gipfelstürmer nun himmelwärts. Die Almen präsentieren sich unter den wärmenden Sonnenstrahlen in all ihrer Farbenpracht. Die Luft summt vor lauter Bienen, darüber funkeln die Eiskappen der Gletscher in der Sonne: Wer den Kontrast liebt, wird ihn hier beim Schifahren oder Wandern finden. In den südlicheren Städten hingegen wird es im Hochsommer fast unerträglich heiß – die Temperaturen, die in Bozen gemessen werden, gehören im Sommer zu den heißesten im italienischen Durchschnitt. Wer kann, entflieht der Hitze in die kühle Bergluft oder zwischen schattenspendende Bäume.
Auch die Bauern treiben ihr Vieh in die Höhe, wo die Sonne erträglicher ist. Hier schwelgt man im Paradies, bis am Himmel ein fernes Grollen aufzieht. Wenn die Hexen ihre Unwetter brauen, müssen die Menschen fürs Erste nachgeben – perfekt für einen Ausflug in die Stadt oder ins Museum. Vor allem abends vibriert hier die Luft vor lauter Energie. Und es bleibt gar nicht genug Zeit, verdrießlich zu sein: Wenn der Himmel wieder aufklart, alles reingewaschen von Staub und Schweiß, kann ein perfekter neuer Tag beginnen. Egal, ob man auf Rädern, mit dem Gleitschirm, dem Kajak, der Sommerrodelbahn oder mit der Zipline an der Landschaft vorbeifliegt oder sich doch am liebsten an die eigenen Beine hält – Südtirol hat im Sommer für jeden etwas zu bieten.
Die Blätter fallen
Doch bevor sie den Boden mit raschelndem Laub bedecken, färben sie sich in einem letzten Aufbäumen mit feurigen Tönen. Es ist die goldene Zeit, eine Hommage an die kühle Schönheit der Berge, in der die Natur, bevor sie sich für einige Monate schlafen legt, noch einmal alles gibt, was sie hat. Die Apfel- und Weinernte fährt reiche Erträge ein, die köstlichen Früchte werden ihrer Bestimmung zugeführt. Und zugleich feiern auch die Menschen mit der Natur noch ein letztes Mal vor dem Winter. Im Herbst wird Exquisites aus Kellern und von Feldern, aus dem Ofen und der Pfanne aufgetischt. Diese Jahreszeit gehört ganz dem Genuss und der Geselligkeit. Ein kühler Wind bringt erste Kunde von der nahenden Kälte und fegt die Straßen und Plätze blitzsauber. Wer sich jetzt in die Berge wagt, wird mit ihrer imposanten Schönheit weitgehend allein sein und sie ganz für sich genießen können. Das letzte Licht wirft seinen goldenen Schimmer auf den Fels. Und wenn die Bergdohlen langsam talwärts ziehen, wird es auch für den Menschen Zeit, die Wege zu räumen: Der erste Schnee ist nicht mehr fern.
Zwischen Eiskristallen
Nun laufen die Vorbereitungen in der Höhe auf Hochtouren. Während im Tal der erste Glühwein angerührt wird, werden in der Höhe schon Pisten gewalzt, Straßen geräumt, Öfen beheizt und Fensterscheiben enteist. Der Süden entrinnt dem Schneechaos weitgehend, aber bricht im Norden der Winter mit seinen Schneemassen herein, dann erstreckt sich über weite Flächen die Idylle eines frostiges Wintermärchens. Die Bachläufe glitzern unter ihrer dünnen Eisschicht – für die Wintersportler ist die Saison eröffnet. Auf Kanten und Kufen wirbeln Klein und Groß über Pisten, Wege und Bahnen.
Verschneite Berge recken sich stolz durch die eisige Luft. Gefrorene Seen locken Eisläufer auf die bitterkalten Flächen hinaus, wo man sich unter der Sonne ewig weiterdrehen könnte. Malerische Christkindlmärkte vereinen die Menschen unter Christbäumen, wer sich mit roten Nasen ins Haus zurückdrängt, dem steigt der Duft von Gebackenem in die Nase – in den Stuben ist es kuschelig warm.
Traumhafte verschneite Wälder, goldene Lichter, lange Nächte am wärmenden Feuer: Das Leben muss im Winter nicht innehalten. Vielmehr schließt sich der Kreis. Südtirol ist ein Abenteuer für alle Sinne – das ganze Jahr über.