Das Vinschgau

Niemand sollte es sich nehmen lassen, den Westen Südtirols mit seinem beeindruckenden Hochgebirge zu erkunden. Bezeichnende Eigenschaften für den Vinschgau zu finden, fällt schwer, so breit gefächert sind hier landschaftliche und kulturelle Höhepunkte. Von schroffen Dreitausendern, glitzernden Eiskappen und kalten Bergseen bis hinunter zu blühenden Obstgärten und bunt geblümten Wiesen beschreibt diese Region auf kleinem Raum eine Vielzahl der charakteristischen Naturbilder, die die Besonderheit Südtirols ausmachen.

Engagiert und aufgeschlossen sind die Vinschger selbst. Sie haben einen Weg gefunden, ihr jahrhundertealtes Brauchtum bis in die Gegenwart zu bewahren. Hier hat sich ein harmonisches Gleichgewicht zwischen den Kontrasten entwickelt: Die Menschen im Tal stehen doch stets in enger Verbundenheit mit den umgebenden imposanten Felsriesen.

Die Etsch entlang

Der Vinschgau umschließt den obersten Teil der Etsch, bevor sie sich durch den Rest Südtirols bis hinunter an die adriatische Küste schlängelt. Wer ihrem Lauf von der Quelle am Reschenpass bis hinunter zur Meraner Umgebung folgt, lernt ein faszinierendes Stück Südtirol kennen, das von Gletscherzungen auf über 3000 Metern Höhe bis hinunter zu blühenden Obstwiesen reicht. 

Gerade in den wärmeren Jahreszeiten ist das breite Tal ein duftender und blühender Paradiesgarten voll von keimenden Pflanzen und süßen Früchten. Begleitet von einer angenehmen Brise erkundet man die Hauptader des Vinschgau am besten mit dem Fahrrad: Wenig anspruchsvolle Touren führen durch Wiesen, Felder und Örtchen und lassen viel Raum für das Bewundern der idyllischen Landschaft.

Inbegriff dieses Lebensgefühls ist das winzige Städtchen Glurns mit seiner mittelalterlichen Ringmauer. Das malerische Herz des Vinschgaus mit seinen Herrenhäusern und dem historischen Stadtkern lockt sowohl historisch als auch kulinarisch Interessierte in seine urigen Mauern.

Die Tal hinein

Auf ihrem Weg wird die Etsch von zahlreichen kleineren Bachläufen gespeist, die sich ihre eigenen Täler in den Felsen gegraben haben. Jedes hat seine Eigenheiten: das Martelltal mit seinen berühmten Erdbeeren, das unberührte Matschertal, das Trafoital mit seinem Naturpark. Typisch für die Gegend sind die Waalweg-Anlagen, lange wasserführende Kanäle, die im trockenen Vinschgau die Versorgung der Wiesen gewährleisten sollen. Spaziergänge entlang der urig anheimelnden Waale führen durch den ganzen Vinschgau und bieten einen fantastischen Blick über die breite Talsohle und das zerfurchte Bergpanorama. 

Einen besonders bizarren Anblick erhascht man am Ende des Vinschgaus am Reschensee. Der künstlich anlegte Stausee ist für ein düsteres Merkmal berühmt: Mitten aus dem See ragt ein Kirchturm. Er gehört zu dem alten Dorf Graun, das im Zuge der Stauung in den Fluten versinken musste. Der außergewöhnliche Turm im Wasser erfuhr internationale Aufmerksamkeit, als sein Bild mit der Mystery-Serie „Curon“ um die Welt ging. Das steinerne Denkmal schmückt den blassblauen See mit seiner bitteren Geschichte. 

Den Berg hinauf

Die Täler mit ihren außergewöhnlichen Orten werden von erhabenen Bergsilhouetten gesäumt. Zwischen den Ötztaler Alpen im Norden und der Ortlergruppe im Süden versammeln sich hier der größte Teil der Südtiroler Dreitausender: Wer beim Bergsteigen die Herausforderung sucht, findet im Vinschgau mit Sicherheit einen würdigen Gegner. Alles und jeden überragt hier König Ortler, einst der größte aller Riesen, bis er für seinen Hochmut versteinert wurde.

Im Schatten der Berge breitet sich ein Geflecht aus Steigen und Wegen aus, das den Wanderer Auge in Auge mit den gewaltigen Steinwänden führt. Im Winter locken hier weitläufige Skigebiete die Schneesüchtigen auf die Pisten und Loipen. Die Gletscher erlauben ein ganz besonderes Erlebnis: Skifahren ist hier oft bis in den Sommer hinein möglich – die Sonne im Gesicht, die Kanten im Schnee.

Von Erdbeeren, Äpfeln und Aprikosen bis hinauf in Höhen, wo das Eis nie schmilzt – der Vinschgau überbrückt auf über 3.000 Höhenmetern verschiedenste Landschaften und erweist sich damit als ein aufregendes Spielfeld von Kontrasten.