Sobald im Frühjahr die Nature es erlaubt, ist der Bauer bestrebt, seine Nutztiere aus dem Stall und damit von der Zehrung des ohnehin rar gewordenen Heus wegzubekommen. In erster Linie sind es Schafe und Ziegen, ihnen folgt später das Galtvieh, und schließlich sind auch Kühe und Pferde dran, die täglich ihre Stallungen verlassen dürfen, um in Kutten (Herden) zu weiden. Ausziehend von ihren Sammelplätzen, Ziegen vom Goaßerplotz, Rindvieh vom Kuahplotz, Pferde vom Schulhausplatz usw., werden die Tiere vom jeweiligen Hirten täglich auf die Weide getrieben. Dabei genießen der armen Leute Kühe, nämlich die Ziegen, das Sonderrecht, vom Schutzengelsonntag (1. Sonntag im September) bis zum 1. Mai auf den Wiesen weiden zu dürfen.
Während je nach Witterung bzw. Graswuchs Schafe, dann Großvieh, ihre bisherigen Weideplätze auf dem Prader-Agumser Moos und auf Flöß verlassen, um ab dem St.-Veits-Tag (15. Juni) zur Sömmerung auf den Gampen, Velnairalm, Stierberg, und Praderalm gebracht zu werden, bleiben die Goaß in Dorfnähe. Ihr Aufenthalt sind die Pradersand, die Schmitzarean (Hang oberhalb und unter dem Waldweg), die Laschaur, die Schweinböden, die Tschirnleitn usw. Im Sommer müssen die Ziegen bereits um 3.30 Uhr gemolken werden, zur gleichen Zeit kommt der Goaßer auf Kost, danach bläst er sein Horn und treibt dann gegen 4 Uhr seine Kutt zum Gampen hinauf, dies dreimal in der Woche.
Mit der Heimkehr des Viehs von den Bergweiden im September beginnt erneut der Ausgang der verschiedenartigen Kutten. Trotz der Streitigkeiten mit Leuten, denen der Kuttgang in die Wiesen immer ein Dorn im Auge war, hielt sich die Sitte bis herauf in die fünfziger Jahre. Der unaufhaltsame Rückgang des Pferdebestandes nach dem Zweiten Weltkrieg allerdings bedeutete bald auch das Aus für den Rößler, den Pferdehirten. Selbst der Goaßer wurde, wenn auch erst 1981, arbeitslos.
Heute hat der elektrische Hützezaun selbst den mit mancherlei Gepflogenheiten verbundenen Brauch des Einzelhütens verdrängt.
Pro Ziege hatte der Goaßer einen Tag Kostrecht. Der Ziegenhirt konnte laut Weiderecht bis Lichtmeß af Kost geahn; wurde ein Neuer bzw. der Alte wiederum gedungen, so durfte dieser zum selben Zeitpunkt damit beginnen.